Bildung und KinderbetreuungChristian SamwaldElvira SchmidtKerstin Suchan-MayrReinhard Hundsmüller

27.01.2022

Ganztägig, ganzjährig, gratis – Umschalten auf ein neues KinderPROgramm für Niederösterreich

Wir wollen einen Meilenstein in der niederösterreichischen Familienpolitik setzen. Zum Wohl der Kinder und der Eltern.

In den Nachmittagsstunden sind Niederösterreichs Kindergärten für viele Eltern und Kinder vor allem eines – schön von außen anzusehen. Verwaiste Spielgeräte und spärlich besetzte Räumlichkeiten zeugen von verpassten Bildungschancen und Belastungen für das Familienleben. Wenn man Kinderbetreuungseinrichtungen am Nachmittag dennoch nutzen möchte bzw. muss, wird es teuer.

„Entweder – Oder“ statt echte Entscheidungsfreiheit für Familien

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist oftmals keine Entscheidung aus freien Stücken, sondern eng an Kosten und Öffnungszeiten der Kinderbetreuungseinrichtungen gebunden. Folgenschwere Einschnitte in die Lebensqualität der Betroffenen sind die Konsequenz – Frauen finden sich in der Teilzeitfalle wieder, den Kindern entgeht wertvolle Bildungszeit.

Knapp 100.000 Kinder sind in Niederösterreich zwischen 1 und 6 Jahren alt. Der Kindergartenbesuch ist in Niederösterreich ab dem 2,5 Lebensjahr, kostenfrei bis 13:00 Uhr möglich. Für eine Nachmittagsbetreuung werden Elternbeiträge von mindestens 50 Euro eingehoben.

Gradmesser zur Familienfreundlichkeit von Kindertagesheimen ist der von der Arbeiterkammer entwickelte „Vereinbarkeitsindikator von Familie und Beruf“ (VIF). Die darin enthaltenen Kriterien fordern, dass

  • mindestens 47 Wochen im Kindergartenjahr geöffnet sind (max. 5 Wochen geschlossen).
  • mindestens 45 Stunden pro Woche von Montag bis Freitag geöffnet sind.
  • an vier Tagen pro Woche mindestens 9,5 Stunden geöffnet ist.
  • es das Angebot von einem (warmen) Mittagessen für die Kinder gibt.

Kriterien, die in Niederösterreich nur zum Teil erfüllt werden. So erfüllen nur 2,1 Prozent der Gemeinden alle VIF-Kriterien, 40,1 Prozent hingegen erfüllen drei oder mehr der VIF-Kriterien nicht.

Diesen Missständen und Versäumnissen beim Ausbau der Kinderbetreuung will der Klub der Sozialdemokratischen Landtagsabgeordneten Niederösterreichs entgegentreten.

Für Klubobmann LAbg. Reinhard Hundsmüller und Familiensprecherin LAbg. Kerstin Suchan-Mayr steht fest: „Wir wollen echte Wahlmöglichkeiten schaffen, um Familien zu entlasten und Kindern die besten Bildungschancen zu garantieren.“

KinderPROgramm im Landtag

In der ersten Landtagssitzung des Jahres 2022 haben wir einen Antrag für ein zeitgemäßes Kinderbetreuungskonzept zur besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie echte Wahlfreiheit eingebracht. Der darin enthaltene Zwei-Stufen-Fahrplan inklusive Finanzierungskonzept erlaubt eine nachhaltige Verbesserung im niederösterreichischen Kinderbetreuungswesen in den nächsten vier Jahren.

Beginnend mit dem Kindergartenjahr 2023/2024 sollen im ersten Schritt folgende Ziele umgesetzt werden:

  • Aufnahme in den NÖ Landeskindergarten ab dem Alter von 2 Jahren (aktuell 2,5 Jahre)
  • Kostenlose Nachmittagsbetreuung in den NÖ Landeskindergärten
  • Abwechslungsreiches & ausgewogenes Verpflegungsangebot (=“Tut gut!“ zertifiziert)
  • Mindestens 45 Stunden pro Woche (Mo-Fr) geöffnet
  • An 4 Tagen pro Woche mindestens 9,5 Stunden geöffnet
  • Maximal 25 Schließtage pro Jahr

Dafür soll es seitens des Landes NÖ einen Personalkostenzuschuss für die Gemeinden in der Höhe von 45 Prozent geben. Und zwar für alle Kinderbetreuer*innen und Stützkräfte, die von der Gemeinde beschäftigt werden, wenn die oben genannten Punkte umgesetzt werden.

In einem zweiten Schritt beginnend mit dem Kindergartenjahr 2025/2026 folgen dann

  • der Ausbau der Kleinkindbetreuung für Kinder ab dem 1. Geburtstag
  • die Finanzierung der Kleinkindbetreuung übernimmt das Land NÖ
  • die Mindestöffnung von 45 Stunden pro Woche (Mo-Fr)
  • die Öffnung an 4 Tagen pro Woche für mindestens 9,5 Stunden
  • maximal 25 Schließtage pro Jahr

Hier wollen wir auf die Expertise der vielen Träger im Bereich der Kleinkindbetreuung, wie der Volkshilfe, den Kinderfreunden und dem Hilfswerk zurückgreifen, die bereits jetzt viele Kleinkindbetreuungseinrichtungen betreiben. Nachdem das Land Niederösterreich im Kindergartenwesen die Kompetenz für Gesetzgebung und Vollziehung hat, soll es die Finanzierungskosten der Kleinkindbetreuungseinrichtungen zur Gänze übernehmen, um seiner Rolle gerecht zu werden und die Gemeinde- und Haushaltsbudgets der Eltern zu entlasten. Den Gemeinden wird somit ein echter Anreiz geboten, ihre Kinderbetreuung auszubauen.

Jetzt investieren – Wirtschaftsstandort Niederösterreich BOOSTERN

Qualität kostet. Doch reden wir hier von nichts weniger als der Zukunft unseres Bundeslandes, der Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher. Im ersten Schritt würde sich die Umsetzung unseres Antrages geschätzt auf 80 bis 100 Mio. Euro pro Jahr belaufen, ab dem zweiten Schritt würden zusätzlich rund 70 Mio. Euro pro Jahr fällig werden.

Kosten, die mit dem notwendigen politischen Willen finanzierbar sind. So sollen die Neuverhandlungen des Bund-Länder Vertrags (15a Vereinbarung) zur Kinderbetreuung bis Sommer 2022 abgeschlossen sein. Die Bundesregierung hat mehr Geld für die Kinderbetreuung angekündigt – dieses gilt es abzuholen und zu investieren.

Durch die verkauften Wohnbaudarlehen in Höhe von 1,65 Mrd. Euro hat das Land Niederösterreich finanzielle Mittel zur Verfügung, die nicht in den Budgetpfad des Landes eingerechnet sind und somit einen Beitrag zur Verbesserung der Kinderbetreuung leisten können.

Neben den verbesserten Bildungschancen für unsere Kinder, bringen die Verbesserungen in der Kinderbetreuung vor allem deutliche Entlastungen für Frauen. Diese leisten immer noch den Großteil der Kinderbetreuungspflichten. Ein gut ausgebautes Kinderbetreuungsangebot bietet eine tatsächliche Entscheidungsfreiheit bei der Jobwahl und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

Die zu erwartende höhere Beschäftigung bei Frauen sowie die für den Ausbau zusätzlich benötigten 2.500 Vollzeitarbeitsplätze (Pädagog*innen, Betreuer*innen, Stützkräfte) bedeuten einen massiven Booster für den niederösterreichischen Wirtschaftsstandort.

KO-Stv. LAbg. Christian Samwald: „Ganztägig, ganzjährig, gratis – so muss Kinderbetreuung funktionieren.“

Die ÖVP NÖ zögert

In der Jänner-Landtagssitzung haben wir unser KinderPROgramm präsentiert und einen entsprechenden Antrag dazu im Landtag eingebracht. Im Februar folgten Gespräche mit InteressenvertreterInnen von der Arbeiterkammer, dem ÖGB, dem GVV, den Sozialdemokratischen LehrerInnen Österreichs, der Volkshilfe, der Industriellenvereinigung und den anderen Landtagsfraktionen.

Das Ergebnis: Alle Parteien waren sich einig, dass unser KinderPROgramm in die richtige Richtung geht – bis auf die ÖVP NÖ. Anstatt auf unsere Vorschläge einzugehen, wandte die Volkspartei eine niederösterreichische „Besonderheit“ an – den §34-Antrag. Die Mehrheitspartei bringt einen eigenen Antrag ein, der inhaltlich außer einem gut klingenden Namen nichts hergibt, den konstruktiven Input völlig ignoriert, gleichzeitig aber Anträge anderer politischer Parteien „miterledigt“, ohne sich auch nur ansatzweise sich mit politischen Notwendigkeiten und Realitäten auseinanderzusetzen.

So wurde auch in der Landtagssitzung Ende Februar unsere Forderung nach einem modernen, den Bedürfnissen der NiederösterreicherInnen entsprechendem Kinderbetreuungsprogramm zu einem substanzlosen Alibi-Antrag der ÖVP NÖ verwässert.

Beharrlichkeit zahlt sich aus

Ein halbes Jahr nachdem wir unser Kinderbetreuungsprogramm im Landtag präsentiert haben, kommt nun endlich Bewegung ins Spiel. Anfang September hat Landesrätin Christiane Teschl-Hofmeister Gesprächsbereitschaft signalisiert. In gemeinsamen Gesprächen mit ÖVP und FPÖ wurde vereinbart, dass das Eintrittsalter in die NÖ Landeskindergärten von zweieinhalb auf zwei Jahre heruntergesetzt wird.

Ein erster Punkt unseres KinderPROgramms wird somit erfüllt. Zudem ließ die Volkspartei auch mit dem Vorstoß aufhorchen, dass Kindergärten maximal 15 Schließtagen im Jahr haben sollen, womit sie sich erneut an unseren Forderungen orientiert.

Auch wenn es zudem seitens der ÖVP NÖ Signale gab, die Kleinkindbetreuung billiger zu machen sowie die Öffnungszeiten zu erweitern bleibt für uns klar: Die Nachmittagsbetreuung in den niederösterreichischen Landeskindergärten muss ganztägig und gratis werden.

Wir  werden uns mit unseren Forderungen nach verlängerten Öffnungszeiten von mindestens 45 Stunden die Woche an vier Tagen und 9,5 Stunden pro Tag, weiter vehement für die niederösterreichischen Familien einsetzen und nicht damit aufhören, solange das KinderPROgramm für NÖ nicht zur Gänze umgesetzt wurde. Ein erster Etappensieg ist für Kinder und Eltern erreicht worden, wir sind aber noch lange nicht am Ziel!

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